von kuk-is Blogteam

Was ändert sich durch die Medical Device Regulation?

QM in der Medizinbranche

Die EU-Verantwortlichen haben sich mit der neuen Medical Device Regulation den Schutz der Patientensicherheit auf die Fahnen geschrieben. Die Anforderungen an die Konformitätsbewertung von Medizinprodukten werden beträchtlich erhöht. Zugleich soll die EU-weite Vereinheitlichung mehr Licht ins Dunkel auf dem Weg zum Patienten bringen. Für Hersteller oder Händler ist – unter anderem – ein MDR-konformes Qualitätsmanagementsystem ab dem 26. Mai 2020 ein Muss. Der Countdown bis zur Umsetzung ist dann abgelaufen.

 

Worum geht’s und wen betrifft es?

Sine qua non – ohne geht es nicht

Für eine fortschrittliche Gesundheitsversorgung sind sichere Medizinprodukte unverzichtbar. Wie im gesamten Medizinsektor gilt auch für die Medizintechnik: Höchste Qualitätsstandards und Patientensicherheit haben oberste Priorität. Dies können Betroffene zu Recht erwarten. Mehr als eine halbe Million Medizinerzeugnisse werden derzeit auf dem EU-Marktplatz gehandelt. In unterschiedliche Risikoschubladen einsortiert, reichen sie von Kontaktlinsen und Verbandmitteln über Einmalspritzen und MRT, Infusionspumpen und Defibrillatoren bis zu künstlichen Hüft- oder Schultergelenken, Stents und Herzschrittmachern.

 

Warum die Novellierung?

Spätestens seit dem großen Aufsehen in 2010 rund um die kriminellen Machenschaften mit billigem Industriesilikon in Brustimplantaten aus Frankreich wurde auch jedem Unbeteiligten klar: Die bisherigen Kontrollmechanismen für Patientensicherheit reichten nicht aus. Forderungen nach strengeren und einheitlichen Zulassungsverfahren für medizintechnische Produkte waren in aller Munde. Mittlerweile hat die EU geliefert.

 

Aus zwei mach eins: MDD + AIMD → MDR

Ab 26. Mai 2020 wird es nun ernst mit der EU-weit geltenden Regelung, welche dann nach dreijähriger Übergangsfrist die europäischen Medizinprodukte-Richtlinien MDD (Medical Device Directive) und AIMD (Active Implantable Medical Devices) endgültig ersetzt. Im Gegensatz zu den bisherigen Richtlinien braucht die europäische Medizinprodukte-Verordnung MDR keine nationalen Gesetzgebungen, um unmittelbar wirksam zu sein. Da sie jedoch nicht jedes Detail regelt, wird es bis zum Stichtag eine umfassende Anpassung des deutschen Medizinproduktegesetzes (MPG) und dessen Verordnung MPV geben – so der Plan des Bundesgesundheitsministeriums. Für In-vitro-Diagnostika wurde übrigens mit der IVDR eine eigene neue EU-Vorschrift geschaffen, deren Übergangsfrist noch bis 25.05.2022 läuft.

Die komplette MDR-Verordnung in allen EU-Sprachen finden Sie hier.

 

Hersteller und Inverkehrbringer: gemeinsam mehr Markttransparenz

Die Umsetzung der Medical Device Regulation bringt erheblich höhere Anforderungen an das Qualitätsmanagement mit sich. Für Medizinprodukte-Hersteller ebenso wie erstmalig auch für -Inverkehrbringer, also Händler, Importeure oder Bevollmächtigte. Denn neu ist auch, dass sowohl die Prozesse bis zur Zulassung eines Medizinproduktes noch höheren Qualitätsstandards entsprechen müssen, als auch der gesamte Weg bis zum Patienten rückverfolgbar sein muss. Des Weiteren soll der Markt EU-weit kontrollierbar sein.

 

Die MDR bringt erhöhte Anforderungen an das Qualitätsmanagement in der Medizinbranche.

Die MDR bringt erhöhte Anforderungen an das Qualitätsmanagement in der Medizinbranche.

 

MDR-Schnelldurchlauf – Die wichtigsten Neuerungen

Wir haben versucht mit dieser Übersicht, die wichtigsten Neuerungen, die die Medical Device Regulation mit sich bringt, zusammenzufassen.

1. Kontrolle der Kontrolleure:

  • Benannte Stellen, also anerkannte Kontrollinstitutionen, werden neu bewertet, geprüft, ausgewählt und ernannt
  • „Scrutiny“-Verfahren (Konsultationsverfahren): Pflicht jeder Benannten Stelle, bei der Zertifizierung von innovativen Produkten der hohen Risikostufen (IIb, III) eine zusätzliche klinische Bewertung durch eine Expertenkommission (Medical Device Coordination Group MDCG) einzuholen

 

2.   Really Big Data:

  • staatliche Datenbank EUDAMED, als zentrale Sammel- und Kontrollstelle aller Produktdaten, Produktzertifikate und Produkthersteller; soll ab 2022 öffentlich zugänglich werden
  • Unique Device Identification UDI: Identifizierungsnummer für jedes einzelne Produkt

 

3.   Wesentlich größeres Pflichtenheft an Unternehmens-QMS:

  • je nach Risikoklasse der Medizinprodukte verpflichtendes zertifiziertes Qualitätsmanagementsystem
  • strengere Kontrollen und unangekündigte Audits (UAA) durch Benannte Stellen
  • mehr technische Dokumentationsinhalte
  • umfangreichere klinische Bewertung anhand Erhebung klinischer Daten
  • erweiterte Berichts- und Meldepflichten zur Überwachung vor und nach Inverkehrbringen: 
    • Post Market Surveillance (PMS) Plan und Report
    • Post Market Clinical Follow-up Report (PMCF)
    • Periodic Safety Update Report (PSUR)
    • Summary of Safety and Clinical Performance (SSCP)
    • Medical Device Vigilance System zur Reaktion auf Zwischenfälle, verschärfte Meldefristen

 

Neu- und Rezertifizierung – was denn nun?

Alle ab 26. Mai 2020 (ein Dienstag) neu einzuführenden Medizinprodukte müssen ein neues EG-Zertifikat nach Medical Device Regulation vorweisen. Soweit so klar.
Neue Labels brauchen aber auch Devices, die nach signifikanten Veränderungen relauncht werden. Sei es im Design, im Herstellungsverfahren oder -ort, ja selbst bei Verlagerung des Unternehmenssitzes: Rezertifizierung bitte! Ein „Facelift“ sollte also reiflich überlegt sein.

Produkte, die bereits nach MDD zertifiziert wurden, erhalten Schonfrist bis zum Zertifikat-Ablauf oder bis maximal vier Jahre nach Beantragung. Allerdings: Schon bei diesen Erzeugnissen müssen die neuen Vorschriften bezüglich Backtracking einhalten werden, von Ende Mai 2020 an wohlgemerkt.

Um beispielsweise Patienten mit seltenen Erkrankungen die Wartezeit auf aktuelle Neuentwicklungen zu verkürzen oder Anwendungen schneller in den Markt zu bringen, soll eine „Fast-Track-Zertifizierung“ der zügigen Einführung hochinnovativer Produkte den Weg ebnen.

 

Stellenausschreibung: Suche „Compliance Officer“

Klar ist: Bis Mai 2020 müssen Hersteller und/oder Händler ein MDR-konformes QMS zur lückenlosen Dokumentation über den gesamten Lebenszyklus ihrer Medizinprodukte implementiert haben. Umfassendes Datenmanagement wird essenziell. Mit einem Sicherheitsbeauftragten ist es nicht mehr getan: Mindestens ein sach- und fachkundiger Verantwortlicher – Responsible Person – muss sich im Unternehmen um die Compliance aller Prozesse und Leistungen kümmern, technische und klinische Dokumentationen inklusive Konformitätserklärungen erstellen sowie die Maßnahmen zur Marktbeobachtung durchführen und Meldepflichten erfüllen.

 

Startklar mit einem "MDR-enabled" QMS

Gute Vorarbeit ist bereits geleistet, wenn schon eine Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001:2015 vorliegt, denn auf ihr basieren alle qualitätsrelevanten Normen – auch im Medizinbereich. Die ISO 9001 stellt einerseits für zu zertifizierende Unternehmen eine brauchbare Grundlage für eine QMS-Erweiterung nach MDR und IVDR dar. Andererseits machen die bestehenden Zertifikate es auch der Benannten Stelle leichter, das MDR-konforme QMS zu akkreditieren.

Zusätzliche Vorschriften verlangen jedoch darüber hinausgehende Leistungen des Qualitätsmanagements in diversen medizinischen Teildisziplinen:

  • Die EN ISO 13485:2016 regelt etwa die Anforderungen an Medizinprodukte.
  • Diagnostische Labore belegen ihre Dienstleistungsqualität über ein ISO 15189-Zertifikat. (Die Norm EN ISO 15189:2014 befindet sich derzeit in Überarbeitung; die Neuveröffentlichung ist für 2020 geplant.)
  • Für die Hersteller „potenziell risikorelevanter Produkte“ sind möglicherweise auch die ISO 20916:2019 (In-Vitro-Diagnostika) und die Richtlinien der ISO 14971:2018 (Risikomanagement) relevant.

 

Vermerk:

Auch wenn wir das Thema umfangreich recherchiert haben, so können wir keine Garantie auf Vollständigkeit aller Normen-Neuerungen geben. Eine zusätzliche, rechtliche Beratung ist auf jeden Fall empfehlenswert.

Weiterführende Informationen zum Thema bieten folgende Institutionen:

MDR-FIT WERDEN!

 

WissIntra bietet alles, was ein MDR-konformes QMS braucht: flexibles Management von Prozessen, Dokumenten, Risiken, Maßnahmen und Audits. Integration von Normen. Nahtloses Zusammenspiel aller QM-Disziplinen in nur 1 System. 

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