von Benedikt Krauß, Consulting k+k

Wirtschaftsstandort Deutschland – Was wir aus unserer Vergangenheit für KI lernen können

In Deutschland hat eine spezielle Region bereits einen Wandel in der Weltwirtschaft verpasst und sich davon bis heute nicht erholt: das Ruhrgebiet. Gleiches könnte sich heute wiederholen: in der Automobilindustrie und mit Künstlicher Intelligenz. Der Wirtschaftsstandort Deutschland braucht KI. Zum einen für Unternehmen, die KI nutzen und damit wettbewerbsfähig bleiben können. Zum anderen als wichtiger Wirtschaftszweig, der die Weichen für die Zukunft des Landes wesentlich mitprägen wird. Deutschland verfügt über schlaue Köpfe und clevere Start-ups in diesem Bereich. Damit diese Erfolg haben und international mithalten können, braucht es aber ausreichend Förderung.

Ein Blick zurück: Ins Ruhrgebiet

Das Ruhrgebiet galt bis Mitte der 1950er als Deutschlands Wirtschaftswunderregion galt. Es hatte sich zum größten zusammenhängenden Ballungsgebiet Europas entwickelt. Dies gelang durch die Montanindustrie, also alle Industriezweige, welche sich mit der Gewinnung, Aufbereitung und Weiterverarbeitung von Bodenschätzen befasst. Doch dann kam in den 1970er Jahren die Kohlekrise, mit der die Nachfrage nach der Ruhrkohle gewaltig einbrach. Dass nicht die komplette Wirtschaft Deutschlands eingebrochen war, lag an der Automobilindustrie, die zum Zeitpunkt der Kohlekrise an Fahrt aufgenommen und sich zu Deutschlands bedeutendstem Industriezweig weiterentwickelt hatte. Allerdings machte man sich in den vergangenen Jahren und insbesondere seit 2020 besondere Sorgen um die deutsche Automobilindustrie.

Droht der Automobilbranche das gleiche Schicksal?

Die Krise wurde eingeläutet mit dem Dieselskandal, bei dem der größte Teil der deutschen Autobauer und -zulieferer zu Strafen in Höhe von zweistelligen Milliardenbeträgen verklagt worden waren. Obwohl die Strafen enorm hoch ausgefallen sind, konnten sich die Konzerne davon schnell erholen und kamen mit einem blauen Auge davon. Allerdings könnte die globale Pandemie rund um SARS-CoV-2 dazu führen, dass sich diese Branche nicht mehr erholen kann. Durch die Pandemie sinkt das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) enorm, die Menschen sind weniger dazu bereit, große Ausgaben zu tätigen, dadurch sinken auch die Absatzzahlen der Automobilbauer und ihrer Zulieferer.

Süddeutschland - Das Ruhrgebiet 2.0?

Des Weiteren wird den deutschen Autobauern - insbesondere Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW - vorgeworfen, den Wandel in der Mobilität zu verschlafen; insbesondere in der Elektromobilität, wo im Moment ein US-amerikanisches Unternehmen alle traditionellen Automobilhersteller in den Schatten stellt: Die Rede ist von Tesla, einem Unternehmen, das als Pionier der Elektromobilität gilt. Zieht man die Aktienentwicklungen von Tesla und die der deutschen Automobilisten als Vergleichsmerkmal heran, so zeichnen sich düstere Tendenzen ab. Insbesondere in Süddeutschland, wo die Automobilindustrie stark vertreten ist, könnte es zu einem „Ruhrgebiet 2.0“ kommen. Allein in Baden-Württemberg und Bayern haben 14 (!) Unternehmen ihren Hauptsitz, welche in der Automobilbranche tätig sind und mehr als vier Milliarden Euro Umsatz jährlich generieren. Entsprechend viele Mitarbeiter*innen beschäftigen diese Unternehmen. Damit diese nicht nach und nach ihren Arbeitsplatz verlieren, müssen besagte Unternehmen die Chance und das Potenzial der Künstlichen Intelligenz nutzen und daraus wertschöpfen - beginnend mit intelligenten Maschinen, die zum optimalen Zeitpunkt instandgehalten werden, oder auch mittels digitalisierten und KI-gestützten Vertriebsprozessen. Die Möglichkeiten der Digitalisierung in der Automobilbranche sind vielfältig. Aber nicht nur dort.

Der Mittelstand

Ein weiteres wichtiges Standbein Deutschlands und bekannt für seine Innovationskraft ist der Mittelstand. Der deutsche Mittelstand ist entscheidend für das Wachstum der deutschen Volkswirtschaft, denn der Mittelstand fördert die Wettbewerbsfähigkeit des Landes durch Investitionen, bildet aus und schafft Arbeitsplätze. Neun von zehn Auszubildenden haben im Jahr 2018 ihre Lehre bei einem mittelständischen Unternehmen abgeschlossen. Dennoch hinkt der Mittelstand im Thema Digitalisierung, insbesondere in Sachen KI, weit hinterher. Daher müsse sich das deutsche Ambitionsniveau eine Stufe nach oben bewegen und man solle sich nicht in endlosen Diskussionen um das Thema Breitbandausbau verlieren, so sagte es Frank Riemensperger, Vorsitzender des IT-Beratungsunternehmens Accenture Deutschland. Denn gerade hier würde vernachlässigt, welchen Rattenschwanz die Themen Digitalisierung und KI hinter sich ziehen.

“Das Feld der sogenannten digital enabled strategies, also Strategien, die auf digitalen Technologien basieren (ist ein Wachstumsfeld). Dieser Bereich ist groß: In den vergangenen Jahren sind Technologien wie die Cloud, Smartphones, Mobility oder Real-Time-Analytics erfolgreich geworden, auf deren Basis sich vollkommen neue Geschäftsmodelle entwickeln lassen. Die Frage dabei ist: Welche Möglichkeiten eröffnen diese Technologien für neue Geschäftsmodelle, wie verändern sie bereits bestehende – und was bedeutet das für die Strategie eines Unternehmens?”

Frank Riemensperger

Diese Aussage wird verstärkt, wenn man den Status Quo der Digitalisierung des Mittelstands betrachtet. Hier bemängeln die Hälfte der befragten Unternehmen ihren vorhandenen Internetanschluss. Dadurch sind diese Unternehmen bereits eingeschränkt. Viele neue Anwendungen werden bereits nur als Software-as-a-Service (SaaS), also in der Cloud, angeboten. Kein Internet, keine Cloud und somit keine Möglichkeit, das volle Potential der Digitalisierung zu nutzen.

Künstliche Intelligenz wird in Deutschland viel zu wenig gefördert

Es ist für den innovativen Mittelstand mehr als sinnvoll, sich der Künstlichen Intelligenz zu stellen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und die Zukunft aktiv mitzugestalten. Daher werden vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) deutschlandweit Informationen und Hilfestellungen rund um das Thema KI angeboten. Die Bundesregierung beschloss 2019 und 2020, jeweils 500 Millionen Euro für Maßnahmen zur KI-Förderung bereitzustellen. Ob dies allerdings ausreicht, ist eine andere Frage. Wenn man die chinesische und deutsche KI-Strategie miteinander vergleicht, dann wird schnell klar, dass die zugesicherte eine Milliarde Euro nur einen Bruchteil der Investitionen der chinesischen Regierung ausmacht. In China investieren einzelne Regionen jährlich mehr als die Bundesregierung für das gesamte Land. Zum Vergleich plant die Bundesregierung mit Investitionen in Höhe von drei Milliarden Euro. Die chinesische Regierung hingegen versprach bis 2030 umgerechnet über 125 Milliarden Euro bereitzustellen.

Fazit

Nicht nur Geld ist das Problem, sondern auch Zeit. Deutschland war in Sachen Förderung bisher auch langsamer als andere Länder. Um nochmal bei China zu bleiben: Die chinesische KI-Strategie wurde bereits Mitte 2017 veröffentlicht, wobei die erste deutsche Version einer KI-Strategie zwei Jahre später erschien. Es bestätigt sich auch bei diesem Thema, dass der Deutsche lieber versucht, am Status Quo festzuhalten, anstatt Veränderungen anzunehmen und daraus Kapital zu schlagen. Allgemein gibt es viele Ausreden, um sich nicht mit KI auseinander zu setzen, und vor allen Dingen auch viele Vorurteile gegenüber dieser Technologie.

Wir müssen es schaffen, die Vorurteile loszuwerden, der Veränderung durch KI angstfrei zu begegnen und sie uns zum Wettbewerbsvorteil zu machen. KI ist keine jobraubende Bedrohung, sondern unsere Hoffnung, um als Wirtschaftsstandort weiterhin international mithalten zu können. Die anderen großen KI-Nationen haben das erkannt. Sie haben sich Ihre Plätze im Rennen um die KI-Vorherrschaft bereits gesichert. Und sie werden weiter sprinten, ob wir mitrennen oder nicht.

Ist der Anschluss bereits verloren?

Du willst wissen, ob Deutschland den Nährboden liefern kann, um die Schlüsseltechnologie KI richtig für die Zukunft auszurichten? Sind wir noch im Rennen oder sind uns andere Länder uneinholbar voraus? Mehr darüber liest Du im Whitepaper „KI in Deutschland“.

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Titelbild © metamorworks, stock.adobe.com

 
 

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